Stufenwechsel
Thomas Allso | unsplash | Wenn du Äpfel versprochen hast, ist es zu spät, den Baum zu pflanzen
Ändern, was Erfolg beschert hat? Die Strategie des Festhaltens an Bewährtem ist ein Gebot der Vernunft. Was aber, wenn die höhere Stufe, die Sie erklommen haben, ganz andere Fähigkeiten und Haltungen erfordert, als die, denen Sie Ihren bisherigen Erfolg zu verdanken hatten? Dann bedeutet das Festhalten am Fundament des bisherigen Erfolgs, früher oder später wieder da zu landen, wo man hergekommen ist.
Jede Stufe des Schaffens oder der Karriereleiter hat bestimmte Anforderungen. Jede Stufe braucht spezifische Reifegrade der Persönlichkeit und Fähigkeiten in den verschiedenen Kulturtechniken der menschlichen Interaktion.
Wachse oder weiche
Stufenwechsel folgen immer einer Gesetzmäßigkeit: Ein weiter so geht nicht, weil die Anforderungen jetzt andere sind. Das bedeutet, dass die Lorbeeren der Vergangenheit nur noch eine gewisse Zeit Glanz verbreiten. Im Allgemeinen erhalten Frauen und Männer in neuen Positionen 100 Tage Schonfrist, dann müssen sie liefern. Wenn es nicht gelingt, sich an die geänderten Anforderungen anzupassen bzw. seine Kompetenzen zügig zu erweitern, landet man mit einem Zeitversatz wieder in der alten Rolle oder Position und hat eine Schramme mehr.
Ein nationales Unternehmen zu führen ist etwas anderes als als ein internationales. Fünf Abteilungen zu führen ist etwas anderes als vier Vorstände. Solist zu sein ist etwas anderes als Stimmführer. Entwerfen und Gestalten ist etwas anderes als Mandanten und Projekte zu führen. Vorstand ist etwas anderes als Direktor, Regisseur ist etwas anderes als Produzent, Chefarzt etwas anderes als ärztlicher Leiter. Staatssekretärin ist etwas anderes als Ministerin.
Aufgeben, was Erfolg gebracht hat?
Diese Stufensprünge sind tückisch, weil die Anforderungen je nach Stufe konträr zu denen sind, denen man Erfolg und Aufstieg zu verdanken hat. Wer kann schon ohne weiteres aufgeben, was den Erfolg gebracht hat, dem man so viel zu verdanken hat. In den ersten Stufen des Erfolgs war z.B. ein sehr starkes Ego, eine AlleinkämpferInnen-Mentalität existenziell erforderlich. Wer dann in einer höheren Stufe mit anderen, ebenso klugen Menschen zusammenarbeiten oder sie führen muss, wird mit Egozentrik und die Alleinkämpfermentalität mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. In manche Positionen kommt man nur durch Fleiß und Akribie, hält sich aber nur durch Weitsicht und strategisches Geschick. In mancher Etappe kann es verzeihlich oder sogar karrierefördernd sein, einen Fehler unter den Teppich kehren. Wer das in einer Leitungsposition macht und damit auffliegt, läuft Gefahr die eigenen Reputation unwiederbringlich zu zerstören. Der Glaube an die eigene Unfehlbarkeit mag in den ersten Stufen ein guter Motor sein, Allmachtsphantasien in Leitungspositionen schießen die Betreffenden schnell wieder aus dem Rennen.
Es heißt nun nicht, dass die bisherigen Tugenden bei Stufenwechseln schlagartig aufgehört haben, wichtig oder wertvoll zu sein. Sie geraten lediglich in den Hintergrund zu anderen, jetzt eben wichtigeren Fähigkeiten und Haltungen. Man wirft keine Fähigkeit aus dem Repertoire, man erweitert sein Repertoire.
Es ist ein Zeichen kluger, strategischer Ambition, einen maßgeschneiderten Entwicklungsplan zu besitzen, der sich am eigenen 3,5,7-Jahresplan orientiert. Mit diesem Plan gelingt die rechtzeitige Ausprägung von Fähigkeiten und Haltungen, die erst Jahre später benötigt werden, dann aber sofort und in voller Ausprägung bereit stehen müssen.
Dieser strategische Weitblick, in Form der frühzeitig angestoßenen und organisierten Entwicklung von Fähigkeiten, bedeutet, für die großen Stufensprünge vorbereitet zu sein. Das ist das Gegenteil davon, in die Falle der Entwicklungssackgasse zu tappen. Das ist die Falle, sich durch fehlenden Weitblick in Positionen und Rollen einzubetonieren, die man dann nicht mehr verlassen oder überwinden kann.
Wenn Sie also in fünf Jahren Äpfel ernten wollen, wird es nicht reichen, in vier Jahren einen Setzling zu pflanzen. Es ist wie beim guten Wein, der reifen muss, oder wie beim Gras, das auch nicht schneller wächst, wenn man daran zieht … (Bingo)
© Mathias Raths
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